Der Bauch muss frei bleiben
1940, als 11 jähriger Pimpf, bekam ich meine Jungvolk Uniform mit Braunhemd, Halstuch, Knoten und Koppel. Ich war darauf stolz und trug die Uniform gerne.
Bei einem Geländespiel hatte ich mich am Arm verletzt und musste in ärztliche Behandlung. Unser Hausarzt war damals Dr. Oeken, der hatte seine Praxis auf der Dortmunder Strasse (heute ist dort ein Zahnarzt) in Castrop.
Dr. Oeken war ein alter Medizinnalrat, vermutlich noch aus der Kaiserzeit. Er trug eine Brille bei der ein Glas abgedunkelt war, denn er sah nur auf einem Auge.
Als ich das Sprechzimmer betrat, stand er auf, kam sofort auf mich zu und murmelte "Schon wieder einer". Ich verstand nicht. Er nahm mir mein Koppel aus der Hose, legte mich über sein Knie und tat so, als wollte er mir den Hintern versohlen (was er aber nicht wirklich tat).
Dann setze er mich wieder hin und erklärte mir, Kinder sollten kein Koppel tragen, denn der Bauch muss frei bleiben und darf durch die Uniform nicht so eingeengt werden. Im Wachstum müssen sich alle inneren Organe frei entfalten können, sonst gibt es später Bauchbeschwerden. Nach seiner "Predigt" hat er mir dann auch so nebenbei noch den Arm versorgt.
Ich nahm mein Koppel und meine Hose in die Hand (ich traute mich nicht, das Koppel sofort wieder umzuschnallen) und hörte ihn beim rausgehen noch hinter mir her rufen: "Trag Hosenträger!"
das werden die bauchfrei-t-shirt-traegerinnen anno 2008 sicher gerne hoeren ;-). ein nazi war der alte medizinalrat - ich sehe ihn foermlich vor mir - sicher nicht.