Der alte Vogt und das Pferd
Als ich auf der Zeche Victor 3/4 anfing, war der alte Vogt ein erfahrener Bergmann, der mir danach viel beigebracht hat. Ich war lange Zeit sein "Lehrhauer". Doch auch er fing einmal als Schlepper an.
Nach dem ersten Weltkrieg fing er als Pferdejunge auf der Zeche
Victor 1/2 in Rauxel an und arbeitete dort im Pferdestall.
Er musste damals mit den Pferden den Kohlentransport von der
Ladestelle im Flöz bis zum Schacht machen. Durch die Dunkelheit im Berg waren die Pferde mit der Zeit blind geworden. Nur am Wochenende kamen sie zum Tage auf die grüne Wiese.
Sein bestes Pferd hiess Moritz, der konnte zählen. Immer wenn die Kumpel dem Moritz zum Transport der Kohlen statt der üblichen sechs Kohlenwagen einen mehr anhingen, merkte Moritz beim Anziehen des Zuges den Wagen zuviel und blieb stehen. Erst nachdem Moritz dann durch gutes Zureden und einem Zückerchen wohlmeinend gestimmt war, ging es wieder weiter.
Irgendwann war auf Victor 1/2 ein schweres Grubenunglück, bei dem mehrere Kumpel verschüttet wurden. Einer wurde nie gefunden. Man musste deswegen ein Grubenfeld schliessen, der verschüttete Bergmann fand sein Grab unter Tage.
Durch die Schliessung des Kohlenfeldes wurde die Kohleförderung auf Victor 1/2 weniger und deswegen wurde ein Teil der Belegschaft, viele Rauxeler, nach Victor 3/4 verlegt. So kam auch der Vogt nach Victor 3/4, wo ich ihn dann einige Jahre später traf.
Auch wenn der Beitrag schon einige Zeit her ist, eine Frage dazu: Ich dachte, das es zu den ungeschrieben Gesetzen des Bergbaus gehört, das keiner im Berg bleibt. Oder wird das zwar versucht, aber wenns doch zu gefährlich ist, gehts dann nicht anders?