Ein Steinwurf als Wehrkraftzersetzung
Im Sommer 1943 war ich in den grossen Ferien bei meiner Familie in Neustadt. Die Siedlung lag direkt an der Bahnlinie zum Bahnhof Neustadt.
Züge die am Bahnhof noch keine Einfahrt hatten, standen oft auf den Gleisen in der Nähe unserer Siedlung.
Eines Tages stand dort ein Güterzug mit Flugzeugschrott (wir dachten es seien abgeschossene Feindflugzeuge) auf den Gleisen und wartete auf die Einfahrt zum Bahnhof. Wir Jungen aus der Siedlung versuchten mit Steinen die Scheibe einer zerstörten Flugzeugkanzel zu treffen.
Keiner schaffte es, doch einer traf. Die Zugbegleitung drohte uns vom Zug herunter und der Zug fuhr weiter. Wir haben uns nichts weiter dabei gedacht.
Doch es vergingen keine 10 Minuten, da war die Militärpolizei bei uns in der Siedlung und fragte nach dem Täter, der das Glas mit einem Stein zerstört hatte.
Alle anderen Kinder zeigten auf mich: "Der Fremde, der Hans war es!".
Es wurde ein Schnellgericht einberufen und es gab eine Gerichtsverhandlung. Ich stand als 13 Jähriger in meiner AHS-Uniform vor dem Richter. Der Nazi-Staatsanwalt wütete auf mich von seinem Pult herab und schrie vom Zerstören von wichtigem Kriegsmaterial, von Sabotage und von Wehrkraftzersetzung. Schlimme Verbrechen in der damaligen Zeit.
Nur wegen meines guten Leumunds bei der AHS kam ich noch einmal mit einem strengen Verweis davon. Sonst wäre ich verurteilt und dann auch noch von der AHS ausgeschlossen worden.
Heute denke ich: Vielleicht wäre mir damals durch den Abgang von der AHS viel Leid erspart geblieben.
Lieber Hans
Gestern erst habe ich Sie und Ihr Blog entdeckt und bin ein Fan von Ihnen. Ich wünsche mir, noch viele, viele Geschichten von Ihnen zu lesen.
liebe Grüße aus Gelsenkirchen
Karo Dörnemann